Gastautor: Univ.-Prof. Dr. Oliver Koll, Professor of Marketing und Partner bei IMARK Strategieberatung
Zur Bewertung der Markenstärke bieten sich unterschiedliche Kennzahlen an. Bekanntheit, Sympathie, Weiterempfehlung, Kaufbereitschaft sind dabei häufig gewählte Größen. Eine Vielzahl an Studien hat gezeigt, dass diese kognitiven und affektiven Faktoren auch mit der Zahlungsbereitschaft von Konsumenten für eine Marke zusammenhängen. Je attraktiver eine Leistung erscheint, desto mehr ist der Konsument typischerweise bereit dafür zu bezahlen. Ein Vergleich der Zahlungsbereitschaft für die Leistung einer Marke mit jener einer relevanten Referenzmarke oder eines NoName-Anbieters bietet daher Hinweise zur Stärke einer Marke.
Ein kurzes Beispiel:
Frau Huber erledigt ihren wöchentlichen Großeinkauf und benötigt unter anderem eine Packung Waschmittel. Sie bevorzugt nach Lavendel duftendes flüssiges Waschmittel. Im Geschäft ihrer Wahl stehen drei geeignete Produkte zur Auswahl. Marke A und Marke B um € 9 und ein NoName um € 7,50. Weil sie Marke A kennt und gute Erfahrungen mit Produkten dieser Marke gemacht hat, wählt sie Marke A. Frau Huber hat die Wahl zwischen drei vergleichbaren Produkten. Das Produkt der Marke A ist attraktiv genug, dass sie es dem um € 1,50 günstigeren NoName und dem gleich teuren Produkt der Marke B vorzieht. Die Marke A könnte vermutlich den Preis noch weiter erhöhen, bevor sich Frau Huber für ein anderes Produkt entscheiden würde. Diese höhere Zahlungsbereitschaft ist der Mehrwert, den sich die Marke A durch ihre Leistung und damit verbundene positive Bedeutungsinhalte gegenüber ihren Mitbewerbern erarbeitet hat.
Zur Bestimmung der erzielbaren Preisprämie könnte ein Unternehmen auf Erfahrungen zurückgreifen oder Kunden direkt befragen: Um wie viel teurer als ein NoName Produkt darf unser Markenwaschmittel sein oder wie viel würden Sie für ein bestimmtes Produktfeature zahlen? Die Validität dieser Antworten ist zu bezweifeln. Auch Experimente könnten herangezogen werden: Der Waschmittelhersteller kann in unterschiedlichen Regionen verschiedene Preise testen, er kann Preise verändern und abwarten, wie viele Kunden er gewinnt bzw. verliert. Er könnte seinen Preis auch immer in einem bestimmten Verhältnis oder Abstand zum Mitbewerb belassen. Ein solcher „Trial and Error“-Zugang ist aus Ertragsperspektive jedoch nicht sinnvoll. Eine Marktforschungstechnik, die sich zur Bestimmung der erzielbaren Preisprämie eignet, ist die Conjoint Analyse. Diese Technik geht davon aus, dass sich ein Konsument für eine Leistung entscheidet, weil die Kombination aus ihren Eigenschaften den höchsten Nutzen liefert. Dabei müssen und werden Kunden auch Abstriche in Kauf nehmen. Grundsätzlich würde ein PKW mit großem Platzangebot, gefälligem Design, hoher Leistung, niedrigem Benzinverbrauch und günstigem Preis die meisten Konsumenten ansprechen – diese Kombination ist aber technisch und kommerziell nicht realisierbar. Daher bieten Autohersteller Modelle an, die bei manchen Leistungsaspekten besonders gut abschneiden, bei anderen weniger. Diese Leistungsbündel (z.B. Sportwagen mit hohem Verbrauch und Preis, Kleinwagen mit 0815-Design und günstigem Preis) sind für jene Konsumenten attraktiv, denen sie bei den für sie jeweils wichtigen Eigenschaften hohen Nutzen liefern. Dann werden auch Defizite bei weniger wichtigen Eigenschaften akzeptiert.
Zu verstehen für welche Kunden welche Leistungsbündel besonders hohen Nutzen liefern, ist die Grundlage nutzenorientierter Segmentierung und Fokus der Conjoint-Technik. In der Conjoint-Fragestellung muss der Teilnehmer zwischen Produktpaketen wählen, die sich in wichtigen Eigenschaften, wie etwa dem Preis, unterscheiden. Durch wiederholte Auswahlentscheidungen wird ermittelt, welche Produkteigenschaften wirklich wichtig für die Kaufentscheidung sind und welche Preise der Kunde bereit ist für Unterschiede dieser Eigenschaften zu bezahlen.
Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass eine Auswahlentscheidung mit ganzen Angebotspaketen (Conjoint = joint together) getroffen wird. Diese Art der Aufgabenstellung kommt der Realität deutlich näher als die Bewertung einzelner Produktattribute nach deren Wichtigkeit oder Schätzungen der persönlichen Zahlungsbereitschaft.
In Abbildung 2 sehen Sie die einzelnen Teilnutzenwerte, die Frau Huber den Attributausprägungen zugeordnet hat. Es zeigt, dass sie günstige Waschmittel teuren vorzieht. Tabs sind für sie etwas attraktiver als die anderen Waschmittelformen, und sie präferiert die Marken A und C gegenüber B und der NoName-Variante.
Produkts (Summe der Nutzenwerte: 85) der Marke A mit Pulver (Summe: 115) nur vorziehen, wenn diese deutlich günstiger wären. Um wie viel? Falls die Marke A ihr Pulver um € 10,50 anbietet (Summe: 165) müsste das NoName-Produkt seine Tabs um mindestens € 3 günstiger anbieten (bei einem Preis von € 7,50 wäre die Summe der Nutzenwerte ebenfalls 165). Falls die Marke A ihr Pulver um € 12 anbietet (Summe: 120), wäre schon ein Preisunterschied von ca. € 1 ausreichend. Hier muss das NoName-
Produkt nur die Differenz zwischen 120 und 85 (=35) kompensieren, was ungefähr einem Preis von € 11 entspricht (wenn wir einen linearen Verlauf zwischen den Preispunkten annehmen).
Diese Methodik ermöglicht ein regelmäßiges Hinterfragen des eigenen Preisniveaus (in unterschiedlichen Regionen, Kanälen oder Subsegmenten), aber auch eine einfach interpretierbare Kennzahl der Markenstärke, die im Zeitablauf beobachtet werden kann. Durch Verknüpfung mit anderen relevanten Markentreibern (Innovationskraft, Umweltbewusstsein, etc.) lassen sich damit auch zentrale Einflussgrößen auf die im Markt erzielbaren Preise bestimmen.